15 October 2024

Wie hohe eigene Erwartungen den Selbstwert belasten – und wie du den Druck loslässt

Es gibt wenige Dinge, die unser Selbstwertgefühl so tiefgreifend beeinflussen wie unsere eigenen Erwartungen. Viele von uns setzen sich hohe Ziele, treiben sich unermüdlich an und glauben, dass Erfolg und Zufriedenheit direkt proportional zu unseren Anstrengungen sind. Doch was passiert, wenn diese hohen Erwartungen uns nicht motivieren, sondern erdrücken? Wenn sie statt eines Antriebs zu einer Quelle von Stress und Enttäuschung werden?

Für Überperformer und Menschen mit hohen Ansprüchen an sich selbst ist dies ein besonders verbreitetes Problem. Es ist nicht selten, dass der innere Monolog so klingt: „Warum habe ich das nicht besser gemacht?“, „Ich hätte mehr leisten können“, „Das reicht einfach nicht.“ Diese Gedanken erzeugen Druck und lassen das Gefühl entstehen, nie genug zu sein. In diesem Beitrag werfen wir einen genaueren Blick darauf, wie unrealistische Erwartungen unseren Selbstwert belasten und wie man durch realistischere Zielsetzungen zu mehr innerem Frieden und Zufriedenheit finden kann.

Wie hohe Erwartungen entstehen und warum sie so gefährlich sind

Hohe Erwartungen an sich selbst entstehen oft bereits in der Kindheit oder Jugend. Viele von uns werden von klein auf dazu ermutigt, in der Schule, im Sport oder in anderen Bereichen Höchstleistungen zu erbringen. Doch nicht nur die gesellschaftlichen Erwartungen spielen dabei eine Rolle – auch elterliche Erwartungen können eine große Last sein.

Eltern möchten oft das Beste für ihre Kinder und hoffen, dass sie durch gute schulische Leistungen die besten Chancen für eine erfolgreiche Zukunft haben. Doch manchmal führt dieser gut gemeinte Druck zu Frustration und Selbstzweifeln bei den Kindern. Wenn Eltern ihre Erwartungen zu hoch ansetzen, kann dies dazu führen, dass Kinder das Gefühl bekommen, nur durch Bestnoten oder außergewöhnliche Leistungen Anerkennung und Liebe zu verdienen.

Wie Eltern lernen können, ihre Erwartungen zurückzunehmen

Ein erster Schritt, um diesen Kreislauf zu durchbrechen, besteht darin, sich als Eltern bewusst zu machen, dass das ständige Streben nach Perfektionismus die Beziehung zum Kind belasten kann. Statt den Fokus auf Noten oder Erfolge zu legen, ist es hilfreich, die Anstrengungen und Bemühungen des Kindes zu loben, unabhängig vom Ergebnis. Dies stärkt das Selbstwertgefühl und ermutigt das Kind, auch in schwierigen Situationen durchzuhalten.

Eltern sollten außerdem realistische Erwartungen an die schulischen Leistungen ihrer Kinder setzen und den individuellen Entwicklungsstand des Kindes berücksichtigen. Jedes Kind lernt in seinem eigenen Tempo, und nicht jedes Fach muss mit Bestnoten abgeschlossen werden. Das Gespräch mit Lehrern kann ebenfalls hilfreich sein, um einen besseren Einblick in die tatsächlichen Fähigkeiten und Fortschritte des Kindes zu bekommen.

Der Druck des „Nie genug“-Gefühls

Ein zentraler Aspekt hoher eigener Erwartungen ist das „Nie genug“-Gefühl. Menschen, die sich ständig zu Höchstleistungen drängen, erleben häufig eine innere Leere – egal, wie viel sie erreichen, es fühlt sich nie ausreichend an.

Nehmen wir zum Beispiel Lisa, eine Marketingmanagerin, die in ihrem Job große Erfolge erzielt. Sie hat ihre Verkaufszahlen verdoppelt und wurde kürzlich befördert. Doch anstatt sich darüber zu freuen, überwiegt in ihr der Gedanke: „Ich hätte noch mehr machen können. Es war nur Glück, dass ich erfolgreich war.“ Lisa fühlt sich ständig unter Druck, weiter zu performen und nie nachzulassen. Dies beeinträchtigt nicht nur ihre Freude am Erfolg, sondern führt auch zu Schlaflosigkeit und ständiger Anspannung.

Dieser Druck entsteht, weil Lisa ihre eigenen Leistungen immer durch die Linse ihrer unerreichbaren Erwartungen sieht. Sie misst ihren Wert an dem, was sie noch nicht erreicht hat, anstatt sich auf das zu konzentrieren, was sie bereits erreicht hat. Das Ergebnis? Ein Kreislauf von Selbstkritik, Erschöpfung und einem verringerten Selbstwertgefühl.

Die 5 wichtigsten Einflussfaktoren für hohe Erwartungen

Hohe Erwartungen an uns selbst entstehen selten aus dem Nichts. Es gibt eine Vielzahl von Einflüssen, die uns dazu ermutigen, immer höher hinauszuwollen. Hier sind die fünf häufigsten Einflussfaktoren:

Gesellschaftlicher Druck

Der erste Schritt, um aus der Perfektionismus-Falle auszubrechen, besteht darin, deinen inneren Kritiker zu entlarven. Dieser Kritiker ist die Stimme in deinem Kopf, die ständig Zweifel sät und dir einredet, dass du mehr tun, härter arbeiten oder besser sein musst.

Perfektionismus als gesellschaftliche Norm

n vielen Branchen und Berufen gilt Perfektion als Standard. Menschen, die diesem Bild nicht entsprechen, fürchten, als „nicht gut genug“ wahrgenommen zu werden.

Vergleiche mit anderen

Ein weiteres Werkzeug, um den Perfektionismus zu überwinden, ist es, dir realistische, erreichbare Ziele zu setzen. Anstatt in Schwarz-Weiß-Kategorien zu denken – entweder es ist perfekt oder es ist nichts wert – lerne, den „grauen Bereich“ zu akzeptieren.

Innere Glaubenssätze

Tiefliegende Überzeugungen, wie „Ich muss immer perfekt sein“ oder „Ich darf keine Fehler machen“, treiben uns dazu an, unerreichbare Ziele zu verfolgen. Diese Glaubenssätze haben oft Wurzeln in der Kindheit oder in vergangenen Erfahrungen.

Erziehung und elterliche Erwartungen

Oft versuchen Perfektionisten, in allen Bereichen ihres Lebens Höchstleistungen zu erbringen. Das führt zwangsläufig zu Überforderung. Ein wichtiger Schritt, um aus dieser Falle auszubrechen, ist, klare Prioritäten zu setzen und nicht überall Perfektion zu erwarten.

Wie du unrealistische Erwartungen durch realistische Zielsetzungen ersetzt

Der Schlüssel, um aus diesem Kreislauf auszubrechen, liegt darin, unsere Erwartungen anzupassen und realistische Ziele zu setzen. Das bedeutet nicht, dass wir unsere Standards senken oder weniger ambitioniert sein sollten. Vielmehr geht es darum, den Druck zu reduzieren, indem wir unsere Ziele klarer und erreichbarer formulieren. Eine bewährte Methode dafür ist das Setzen von SMART-Zielen.

SMART-Ziele – Ein praktischer Ansatz

SMART steht für:

Spezifisch

Setze dir klare und präzise Ziele. Was genau möchtest du erreichen?

Realistisch

Das Ziel muss erreichbar sein, basierend auf deinen aktuellen Ressourcen und Fähigkeiten.

Messbar

Definiere, wie du deinen Fortschritt messen wirst. Woran erkennst du, dass du auf dem richtigen Weg bist?

Terminiert

Setze dir eine Deadline, um sicherzustellen, dass du kontinuierlich darauf hinarbeitest.

Attraktiv

Dein Ziel sollte dir wichtig sein und dich motivieren.

Ein Beispiel: Anstatt sich vorzunehmen, „in den nächsten drei Monaten fitter zu werden“, wäre ein SMART-Ziel: „Ich werde in den nächsten drei Monaten dreimal pro Woche 30 Minuten laufen, um meine Ausdauer zu steigern.“ Dieses Ziel ist spezifisch, messbar, realistisch und hat eine klare Zeitvorgabe.

Kleine Erfolge feiern

Ein weiterer wichtiger Schritt, um den Druck durch hohe Erwartungen zu reduzieren, besteht darin, kleine Erfolge zu feiern. Viele Überperformer neigen dazu, ihre Erfolge zu minimieren oder sie gar nicht wahrzunehmen, weil sie immer auf das nächste große Ziel fokussiert sind. Dabei ist das Anerkennen kleiner Fortschritte ein entscheidender Bestandteil eines gesunden Selbstwertgefühls.

Nehmen wir an, du hast ein wichtiges Projekt abgeschlossen. Statt sofort zum nächsten überzugehen, nimm dir bewusst Zeit, deinen Erfolg zu feiern – sei es durch eine kleine Belohnung oder einfach, indem du dir selbst Anerkennung schenkst. Diese positive Verstärkung hilft, den inneren Kritiker zu beruhigen und das Selbstwertgefühl zu stärken.

Fehler als Lernchancen statt als Versagen sehen

Für viele Menschen mit hohen Erwartungen sind Fehler der ultimative Feind. Sie werden als Versagen gewertet und führen zu noch mehr Selbstkritik. Doch in Wahrheit sind Fehler ein natürlicher Teil des Lernprozesses und bieten wertvolle Chancen zur Weiterentwicklung. Wenn du lernst, Fehler als Lernchancen zu betrachten, kannst du deine Haltung zum Scheitern ändern und den Druck reduzieren, immer perfekt sein zu müssen.

Deine Erwartungen sind veränderbar

Hohe eigene Erwartungen können den Selbstwert erheblich belasten und uns in einen Kreislauf von Selbstkritik und Unzufriedenheit führen. Doch es ist möglich, diesen Kreislauf zu durchbrechen, indem wir unsere Erwartungen bewusst hinterfragen und durch realistische, erreichbare Ziele ersetzen. Indem wir lernen, unsere Erfolge anzuerkennen und Fehler als Lernchancen zu betrachten, können wir nicht nur unseren Selbstwert steigern, sondern auch den Druck loslassen, immer „mehr“ leisten zu müssen.

Wenn du merkst, dass deine Erwartungen dich überfordern, nimm dir einen Moment, um innezuhalten und dir bewusst zu machen, dass du die Kontrolle darüber hast, wie du deine Ziele setzt und wie du deine Erfolge wahrnimmst. Mit kleinen Schritten in die richtige Richtung kannst du lernen, den Druck zu mindern und zu einem erfüllteren, zufriedeneren Leben zu finden..