Leistungsdruck unserer Gesellschaft auf Kinder
In unserer modernen Gesellschaft ist Leistungsdruck zu einem allgegenwärtigen Phänomen geworden. Während Erwachsene häufig im Berufsleben unter Druck stehen, sind es zunehmend auch Kinder und Jugendliche, die sich hohen Erwartungen und Anforderungen ausgesetzt sehen. Dieser Druck kann schwerwiegende psychische und physische Auswirkungen haben und die Entwicklung junger Menschen erheblich beeinträchtigen. Dieser Beitrag beleuchtet die einwirkenden Ursachen des Leistungsdrucks auf Kinder und ihre Folgen.
Ursachen des Leistungsdrucks
1. Elterliche Erwartungen
Eltern wünschen sich für ihre Kinder oft das Beste und setzen hohe Erwartungen an deren schulische und außerschulische Leistungen. Diese Erwartungen basieren häufig auf der Überzeugung, dass eine gute Bildung und hervorragende schulische Leistungen der Schlüssel zu einer erfolgreichen Zukunft sind. In vielen Fällen projizieren Eltern ihre eigenen Wünsche und unerfüllten Träume auf ihre Kinder, was zusätzlichen Druck erzeugt. Kinder spüren diese Erwartungen und versuchen, den Ansprüchen gerecht zu werden, um die elterliche Anerkennung und Liebe zu gewinnen.
2. Das Schulsystem
Das Schulsystem trägt maßgeblich zum Leistungsdruck bei. Hohe Anforderungen, zahlreiche Prüfungen und die starke Betonung auf Noten und Rankings setzen Schüler unter erheblichen Druck. Bereits in jungen Jahren werden Kinder mit Tests und Leistungsbewertungen konfrontiert, die ihre schulische Laufbahn und zukünftige Möglichkeiten beeinflussen können. Der Fokus auf akademische Leistungen lässt wenig Raum für individuelle Talente und kreative Entfaltung, was dazu führt, dass Kinder sich ständig vergleichen und um die besten Ergebnisse kämpfen.
3. Gesellschaftliche Normen und Werte
Unsere Gesellschaft misst Erfolg und Leistung einen hohen Stellenwert bei. Schon früh
lernen Kinder, dass Erfolg in Schule und Beruf entscheidend für Anerkennung und soziale
Akzeptanz ist. Medien und soziale Netzwerke verstärken diesen Druck, indem sie oft ein
perfektioniertes Bild von Erfolg und Glück vermitteln. Kinder, die diesem Ideal nicht
entsprechen, fühlen sich minderwertig und unter Druck, sich anzupassen. Dieser
gesellschaftliche Druck beeinflusst nicht nur die Kinder selbst, sondern auch Eltern und
Lehrer, die sich in einem ständigen Wettbewerb um das Beste für ihre Schützlinge sehen.
Auswirkungen des Leistungsdrucks
1. Psychische Gesundheit
Der ständige Druck, hohe Leistungen zu erbringen, kann bei Kindern zu erheblichen psychischen Belastungen führen. Angststörungen und Depressionen sind häufige Folgen.
Kinder, die das Gefühl haben, den Erwartungen nicht gerecht zu werden, entwickeln oft ein negatives Selbstbild und verlieren ihr Selbstvertrauen. Schlafstörungen, wie Ein- und Durchschlafprobleme, sind weitere Symptome, die durch den ständigen Stress ausgelöst werden und die allgemeine Leistungsfähigkeit und Lebensqualität beeinträchtigen.
4. Körperliche Gesundheit
Leistungsdruck hat auch physische Auswirkungen. Viele Kinder klagen über wiederkehrende Kopfschmerzen und Bauchschmerzen, die stressbedingt sind. Chronischer Stress kann zu ständiger Müdigkeit und Erschöpfung führen, was die Fähigkeit der Kinder, ihren täglichen Aktivitäten nachzugehen, erheblich einschränkt.
Langfristig kann dies zu ernsthaften gesundheitlichen Problemen führen, die die körperliche und geistige Entwicklung der Kinder beeinträchtigen.
„Wir sehen die Dinge nicht, wie sie sind, sondern wie wir sind."
- Anais Nin
Thesen zur Reduzierung des Leistungsdrucks
Um den Leistungsdruck auf Kinder zu reduzieren und ihre Gesundheit zu schützen, sind mehrere Ansätze notwendig:
Stärkung der Lebenskompetenzen: Kinder sollten lernen, mit Stress und Problemen umzugehen. Lebenskompetenzprogramme in Schulen könnten hier einen wichtigen Beitrag leisten.
Förderung von Selbstwertgefühl und Resilienz: Kinder sollten früh darin bestärkt werden, ein positives Selbstbild zu entwickeln und ihre Stärken zu erkennen. Dies kann durch positive Verstärkung und die Vermittlung von Erfolgserlebnissen außerhalb des schulischen Kontextes geschehen.
Offene Kommunikation: Eine offene und unterstützende Kommunikation zwischen Eltern, Lehrern und Kindern ist entscheidend. Kinder sollten das Gefühl haben, über ihre Sorgen sprechen zu können, ohne verurteilt zu werden.
Schaffung eines ausgewogenen Lebensstils: Neben schulischen Verpflichtungen sollten Freizeit, Erholung und körperliche Aktivität gefördert werden, um ein gesundes Gleichgewicht zu gewährleisten.
Erwartungshaltung der Eltern
Die Erwartungshaltung spielt eine wichtige Rolle in der Persönlichkeitsentwicklung und im zwischenmenschlichen Kontakt. Der Psychologe und Pädagoge Martin Permanier hat auf diesem Gebiet umfangreiche Forschung betrieben. Er betont, dass Erwartungen, sowohl die, die aus uns selbst kommen, als auch die, die andere an uns haben, maßgeblich unser Verhalten und unsere Wahrnehmung beeinflussen.
Er sieht die Erwartungshaltung als Schlüsselkomponente für den Umgang mit Leistungsdruck und psychischem Wohlbefinden.
Seine Arbeit verdeutlicht, wie stark die Erwartungen unserer Umgebung, insbesondere unserer Eltern, Lehrer und Freunden, unser Selbstkonzept formen können. In Bezug auf die Erziehung von Kindern betont Permanier, dass es wichtig ist, realistische Erwartungen zu haben und ihnen Raum für individuelle Entfaltung zu geben. Er betont, dass übermäßiger Druck und zu hohe Erwartungen zu psychischem Stress führen können. Die Erwartungshaltungen der Eltern können dennoch unterschiedlich sein und reichen von moderat bis anspruchsvoll. Eine gesund hohe Erwartungshaltung der Eltern kann sich positiv auswirken, indem sie ihre Kinder dazu motiviert, ihr Bestes zu geben und sie sich engagieren. Kinder fühlen sich oft angespornt, wenn sie spüren, dass ihre Eltern an sie glauben und sie unterstützen. Eine solche positive Einstellung führt dann wiederum zu einem gesteigerten Selbstbewusstsein und einem Gefühl der Wertschätzung, das sich auf die Lernerfolge und Entwicklung auswirken kann.
Allerdings kann eine zu hohe und ungesunde Erwartungshaltung auch eine Belastung für Kinder darstellen. Wenn Kinder das Gefühl haben, dass sie den hohen Erwartungen ihrer Eltern nicht gerecht werden können, wird dies zu Stress, Angst und Selbstzweifeln führen. Der Leistungsdruck wird dann zu einer negativen Einstellung gegenüber dem Lernen und der Entwicklung des Kindes führen. Gleichzeitig beeinträchtigt es die Freude am persönlichen Fortschritt und der Leistungsbereitschaft. Permaniers Arbeit verdeutlicht, dass Erwartungen nicht nur Einfluss auf unsere eigene Wahrnehmung und unser Verhalten haben, sondern auch auf alle anderen, die uns nahestehen.
Der Leistungsdruck unserer Gesellschaft stellt mittlerweile eine erkennbare und erhebliche Belastung für Kinder dar. Es ist daher erforderlich, dass Eltern, Lehrer und die Gesellschaft als Ganzes Maßnahmen ergreifen, um diesen Druck zu reduzieren und Kinder in ihrer individuellen Entwicklung zu unterstützen. Durch die Förderung von Lebenskompetenzen, Selbstwertgefühl und Resilienz sowie eine offene Kommunikation und einen ausgewogenen Lebensstil können wir alle dazu beitragen, dass Kinder sich gesund und erfolgreich entwickeln.
Quelle
Dieser Beitrag basiert auf den Erkenntnissen aus der Diplomarbeit von DI (FH) Volker Ehmann über die Auswirkungen von Leistungsdruck auf Kinder.